Gespräche über Gott und die Welt
Ein spannendes Thema hatte sich Rita Stalbold von der Katholischen Frauengemeinschaft in Kooperation mit der Kommission für Agrarfragen für ihren ersten Gesprächsnachmittag „Über Gott und die Welt“ ausgesucht. Es ging um das Leben der Frauen in der ehemaligen DDR, zu dem als kompetenter Gesprächspartner Pfarrer em. Heinz Gunkel zu Gast war, der nun in Everswinkel beheimatet ist, aber zuvor viele Jahre in Erfurt gelebt und gewirkt hat. Schnell wurde deutlich, dass es keineswegs die gleichen Chancen für Frauen in Kirche und Gesellschaft „hüben wie drüben“ gegeben hat. Denn in Ostdeutschland gab es bis zur Wende lediglich eine einzige Organisation, die innerhalb der Kirche geduldet wurde, die Kolpingsfamilie. Selbst die Priester wurden als unliebsame Mahner und Kritiker lediglich geduldet, waren bei all ihren Aktivitäten auf Spenden der Kirchenmitglieder angewiesen.
Konkret zur Rolle der Frau gab es lediglich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Parallelen in Ost und West. Überall wurden „Trümmerfrauen“ gebraucht, um die Reste der zerbombten Gebäude zu entfernen und aktive Hilfe am Wiederaufbau zu leisten. Spätestens aber nach der Gründung der DDR 1949 war das Frauenbild streng der sozialistischen Staatstheorie zugeordnet. Da man nicht zuletzt aufgrund der vielen Republikflüchtlingen auf die weibliche Arbeitskraft angewiesen war, gab es verschiedene „Wohltaten“, um Frauen sowohl die Erwerbstätigkeit auch die Familienarbeit zu ermöglichen. Diese auf den ersten Blick fortschrittlichen Maßnahmen, basierten jedoch nicht auf der Wertschätzung der Frau oder dem Ziel, ihre Gleichberechtigung durchzusetzen, sondern lediglich auf der wirtschaftlichen und damit politischen Notwendigkeit, wie Pfarrer Gunkel betonte. Dies zeigte sich insbesondere im Demokratischen Frauenbund, der Teil des Machtapparats der SED war. In der Politik trugen Frauen hingegen kaum Verantwortung. Feminismus als Bewegung gab es in der ehemaligen DDR nicht, weder in der Gesellschaft noch in den Medien, „Es war nicht alles schlecht im Osten“, diesen Satz lehnte Pfarrer Gunkel grundsätzlich ab. Denn manches, was heute als „Errungenschaft“ angesehen wird, wie z. B. Kitaplätze für Kleinkinder und längere Kinderbetreuung, seien stets dem Staatsinteresse untergeordnet gewesen und entsprächen keinesfalls der Wertschätzung des Menschen.
Bei so vielen interessanten Informationen durfte auf halber Strecke natürlich eine kurze Pause bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen nicht fehlen. Nach dieser Stärkung gab es noch Ausführungen zum Engagement von Frauen im kirchlichen Raum. Hier führte Pfarrer Gunkel aus, dass es gerade in der katholischen Kirche lockere Zusammenschlüsse in ehrenamtlichen Gruppen gab, deren Zusammenhalt durch die besondere Situation der Diaspora gefördert wurde. Gern gab der Staat unliebsame Aufgaben wie die Fürsorge für Kranke, Benachteiligte, Flüchtlinge oder alte Menschen an ehrenamtlich Tätige ab.
Rita Stalbold (kfd) und Pfarrer em. Heinz Gunkel
Die Kirchengemeinden in der DDR haben in all den Jahren immer wieder von den guten Beziehungen zu Gemeinden in Westdeutschland profitiert. Denn finanziell war es aufgrund der fehlenden Kirchensteuer schwierig, karitative Aufgaben wahrzunehmen. Auch Erbschaften an Kirchengemeinden oder kirchliche Projekte waren verboten. Gespannt folgten die Zuhörerinnen auch den Ausführungen über die persönlichen Erfahrungen des Geistlichen in einem sozialistischen Regime, die aufgrund der zahlreichen Nachfragen immer wieder ergänzt wurden. Ein informativer und aufschlussreicher Nachmittag endete so für die Frauen mit zahlreichen neuen Erkenntnissen, die so manche Teilnehmerin nachdenklich stimmten.